Kaum ein Thema kommt derzeit ohne den Aspekt »Daten« oder »Digitalisierung« aus. »Buzzwords« rund um Daten waren nie präsenter im täglichen Sprachgebrauch, man vergleiche nur eine Nachrichtensendung 2021 mit einer von vor 2020. Unglaublich, was man hierbei auch nicht datenaffinen Menschen zumutet.
„Die Logistik ist sowohl eine interdisziplinäre Wissenschaft als auch ein Wirtschaftszweig oder eine betriebliche Funktion in Organisationen, die sich mit der Planung, Steuerung, Optimierung und Durchführung von Güter-, Informations- und Personenströmen befassen.“ Logistik – Wikipedia
… „Planung“, … „Steuerung“, … „Optimierung“ von … „Informations“- ? – aber es geht auch um „Durchführung“. Das tröstet.
Wie schon die Definition verrät, ist das Thema »Daten« in allen Facetten in der Logistik das wahrscheinlich zentralste Thema überhaupt. Welcher Logistiker hätte ihn denn nicht gerne, den »Digital Twin« des eigenen Geschäfts? Das würde natürlich auch dem Senior Management gefallen – Supply Chain auf Knopfdruck. Wie realistisch ist das aber in der Praxis und wie ein-eiig ist der jeweilige Zwilling? Gibt es denn das Thema »Daten« überhaupt in eindeutiger Form?
Klare Antwort: Nein. Und wirklich in jedem Projekt mit dem proLOG in Berührung kommt, spielt der Themenkomplex »Daten« eine andere meist sehr zentrale aber immer individuelle Rolle. Und nein, es gibt kein »Patentrezept«, mit dem sich alle Projekte greifen oder lösen ließen.
Von daher steht am Anfang eines jeden Projektes eine individuelle Analyse der Möglichkeiten und Entwicklung der Vorgehensweise und Methodik für das Projekt. In den meisten Fällen ist dafür schon ein tiefes Eindringen in die Thematik notwendig, um Machbarkeiten zu beurteilen. Hierbei muss auch die Aussagekraft und die Prozesskongruenz von Daten jeglicher Art bewertet werden, d. h. wie genau lassen sich physische Abläufe anhand von Daten nachvollziehen, denn nur dann zeichnen die Daten ein gutes und reproduzierbares Bild der Abläufe.
Natürlich gibt es bewährte Vorgehensweisen, Werkzeuge und Standards um sich dem Thema zu nähern. So sind in der Logistik wesentliche Datenbausteine der Intralogistik immer Materialdaten, Bestandsdaten und Bewegungsdaten, im Transportwesen die Sendungsdaten, Tarife, etc., die oft auch in standardisierter Form vorliegen.
Allerdings liegen jedoch meist nur Vergangenheitsdaten vor, manchmal sehr detailliert und strukturiert, in den seltensten Fällen gibt es schon eine ähnlich granulare Sicht der Gegenwart oder gar Prognosen von Zukunftsdaten. Je weiter man in die Zukunft möchte, desto dichter wird der Nebel und schon im Bereich von 1-2 Jahren stoßen wir oft an Grenzen wo Supply-Chain Partner wie beispielsweise Transporteure/Carrier keine Tarife garantieren, weil ihr eigenes Netzwerk im Wandel ist – verständlich und nur menschlich.
Sehr oft müssen für Projektionen in die Zukunft unterschiedlichste Stakeholder in den Unternehmen mit einbezogen werden, meist müssen Strukturdaten in Form verschiedener denkbarer Teilszenarien in sog. „Clustern“ wie beispielsweise eCommerce, Retail, Export, Eil-Lieferungen oder Nachschub lokaler Standorte betrachtet werden. In den seltensten Fällen herrscht hier bereits Einigkeit und eine klare sowie ausreichend granulare Sichtweise für Standort- und Netzwerkplanungen Planungen.
In vielen Fällen ist es auch notwendig, Überlegungen hinsichtlich Transportnetzwerk mit intralogistischen Betrachtungen auf Standortebene holistisch anzuschauen. Denn was bedeutet denn „next-day-delivery“ und welche Einflüsse gibt es? Hängt alles an der letzten Meile oder kann auch schon früher in der Kette etwas getan werden? Beispielsweise indem man die betreffenden kritischen Sendungen früher losschickt (Stichworte: Early Cutoff, Early Disembark, Linehaul, Direkteinspeisung, etc.)?
Als wichtiger Aspekt in der Gesamtthematik kommt die langfristige und unumkehrbare Entwicklung hinzu, dass sich in den letzten Jahrzehnten neben vielen anderen Veränderungen auch die Herangehensweise an Projekte grundlegend verändert hat. Planungen mit fixen Datengerüsten sind kaum noch zu finden und wären sie es, wäre das sehr bedenklich. Denn sind wir nicht gerade dabei, im Zuge von Digitalisierung auch Agilität in den Vordergrund zu stellen?
Für die Logistik bedeutet dies, dass Wachstumspfade und Datengerüste mit Laufzeiten von 10 Jahren definitiv der Vergangenheit angehören und auch müssen. Ein bewährter Lösungsansatz für dieses scheinbar dadurch entstehende Dilemma ist die Definition von Szenarien aus unterschiedlich kombinierten Business Clustern, die gemischt mit Megatrends, Branchen- und Wettbewerbs-KnowHow, Geschäftsstrategien und Marktprognosen als »Leitplanken« einer künftigen Entwicklung und als valide Datengrundlage und Strukturdaten eines Logistikprojektes dienen können.
Exakte Planung und Voraussage der Zukunft wie sie früher so oft vergeblich versucht wurde weichen adaptiven und resillienten Konzeptansätzen, die sich zwar innerhalb der Leitplanken bewegen, in der konkreten Ausgestaltung jedoch erst so spät wie möglich eine konkrete Ausprägung erhalten. Auch neuen Technologien wird somit Raum gegeben, »Adaptivität« versteht sich als Anpassungsfähigkeit sowohl an neue Technologien als auch an künftige Anforderungen. Bevor Adaptivität einsetzt, hat Resilienz eines Konzeptes schon gewirkt, indem veränderte Anforderungen schon bis zu einem gewissen Grad verkraftet wurden. Resilienz lässt sich in Planungen gezielt integrieren, indem Prozesse möglichst unabhängig von kritischen und variablen Eingangsgrößen gestaltet werden.
Adaptivität trifft hier als Begriff deutlich besser als das allseits oft verwendete, dennoch wenig spezifische und trotzdem »gehypte« Wort »Flexibilität«.